2008/12/26

Lesen. Call me by your name Nirgendwo sonst Die Mitte der Welt Neue Leben Jetzt ist hier



Fertig! Und es steht 4:3. Okay, von links nach rechts bzw. von oben nach unten. Christiane Neudeckers Nirgendwo sonst, völlig zu recht auf der Zeit-Leserliste 2008 gelandet, handelt von der Burmareise eines Deutschen, der dort auf Spurensuche ist und dabei immer einen Schritt zu spät zu kommen scheint. Geschickt gewobene Erzählstränge rund um Identität, Liebe und Verlust.
André Acimans Call me by your name spielt auch in der Sonne und zwar in Italien. Dort verbringt Elio seine Ferien mit Eltern und Oliver, einem promovierenden Stipendiaten. Jugend, Sonne, Italien - was wird wohl passieren. Liest sich aber schön, fängt die Sommer und erste Liebe Atmosphäre gut ein und auch der Schluss überzeugt. Urlaubsbuch. Was man von Kaltenburg nicht gerade behaupten kann. Betonung auf KALT, gefühlskalt nämlich. Sich ein Thema (hier den Beruf des Ornithologen) als Brennglas für Geschichtsschreibung auszuwählen, ist zweifelsohne orginell; im Gegensatz zum Herrn Hedoniker, der eine sehr kluge Rezension verfasst hat, konnte mich Marcel Beyer damit aber nicht fesseln. Ein Ornithologe, der bei den Bombenangriffen in Dresden seine Eltern verliert, hat im Forscher Kaltenburg eine Art väterlichen Freund. Dessen Leben erzählt er nun Jahre später einer jungen Frau, wobei man natürlich auch etwas über ihn erfährt. Allerdings bleibt er dabei so ungreifbar, wie auch der schwarze Fleck in der Vergangenheit Kaltenburgs aka Konrad Lorenz, dass man (so gut wie) keinerlei Beziehung zu den Figuren aufbauen kann. Hinter Schleiern versteckt sich zwar eine eigentlich spannende Geschichte, aufgrund der unglaublichen Emotionslosigkeit funktioniert das Buch für mich aber überhaupt nicht. Übertroffen wird diese 'Stimmung' noch von Robert Menasses' Selige Zeiten, brüchige Welt. Lieber Hegel lesen! Verquast und konstruiert, entpuppen sich sämtliche Figuren, die am Anfang noch versprechen witzig zu sein (sonst hätte ich es nicht gelesen), als dermaßen unsympathisch, dass... Eigentlich weiß ich nicht, warum ichs fertig gelesen habe. (Spannende Zeithintergründe vielleicht.) Eine Frage, die ich mir auch beim hochgelobten Ingo Schulze und seinem Neue Leben gestellt habe. Die Wende, erzählt in Form eines Briefromans über knapp 680 Seiten, dann noch 100 Seiten mit dem angeblichen literarischen Nachlass der Hauptfigur, einem Altenburger Dramaturgen und schließlich Zeitungsredakteur, der sich aber natürlich zu Höherem berufen glaubt. Die ersten 100 Seiten lesen sich gut, doch dann wirds immer akuter: weshalb muss über diesen Typ soviel und solange geschrieben werden?! Unsympathisch, weinerlich und größenwahnsinnig. Die Ausschnitte, wie er sich voll Freude 'entleert' erspare ich.
In Literaturen ging es schon vor ein, zwei Jahren mal darum, weshalb momentan sowenig interessante Figuren entstünden. Noch mehr mittelmäßige (Männer-)Leben braucht jedenfalls niemand. Auffallend: Mittelmaß und Langeweile scheint Figuren ab 25 zu befallen - egal wie alt die Autoren sind. Zum Schluss nämlich noch zwei Jugendbücher, die alles richtig machen. Einfach schön: Andreas Steinhöfel Die Mitte der Welt. Eigener Kosmos, Figuren die funktionieren und sich entwickeln. Das gilt auch für Tamara Bachs Jetzt ist hier. Eine Clique von vier Jugendlichen, deren Leben von heftigen Gefühlen und Ereignissen geprägt ist, die daran erwachsener werden - auch wenns vielleicht schon zu spät dafür ist: Am Ende sogar Hoffnung.

Jetzt ist hier - Die Mitte der Welt - Nirgendwo sonst: lesen.

Und so liest sich die obige Zusammenstellung nach dem Auswahlprinzip Seite 56, Satz 5 (dank @ Mediumflow für das Facebook-Spiel)
Ich suchte mir sieben Hochhäuser aus. I shook my head. Im Schlafanzug setze ich mich an den kleinen Tisch, der anläßlich der Vorführung an die Wand geschoben worden ist.
Copacabana zum Beispiel. Die Tür ist geschlossen. Sie gab uns das Gefühl, einmalig und einzigartig zu sein, und die Idee, andere Kinder um ihre sie behütenden, flüsternden Mütter zu beneiden, kam mir nie. Zanker zählt Minuten.
(Neudecker, Nirgendwo sonst. Aciman, Call me by your name. Beyer, Kaltenburg. Menasse, Selige Zeiten, brüchige Welt. Schulze, Neue Leben. Steinhöfel, Die Mitte der Welt. Bach, Jetzt ist hier.)

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